
Er hatte es nicht immer leicht mit seinem acht Jahre jüngeren Bruder: „Ich musste ihm häufig die Ohren langziehen. Ich habe hart gearbeitet und versuche, ihm zu zeigen, dass man nichts geschenkt bekommt. Er hat es selbst in der Hand. Wenn er will, kann er es schaffen“, sagte Iñaki Williams von Athletic Bilbao 2019 im Interview mit der Tageszeitung El País über seinen kleinen Bruder Nico. Zwei Jahre später scheinen Iñakis Erziehungsmaßnahmen gefruchtet zu haben: Beim Ligaspiel gegen Real Valladolid am Mittwochabend standen die Brüder gemeinsam auf dem Feld. Der 18-jährige Nico, der momentan mit der zweiten Mannschaft um den Aufstieg in die Segunda División kämpft, wurde einige Minuten vor seinem acht Jahre älteren Bruder bei den Profis eingewechselt.
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Ein besonderer Moment für den Nachwuchsspieler: „Mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie viel mir dieser Klub bedeutet“, twitterte Nico kurz nach seinem Debut, und es klang wie etwas, das auch sein Bruder hätte sagen können, ja seit seinem Debut bereits hundertfach so oder so ähnlich gesagt hat. Den Williams-Brüdern nimmt man es ab. Bis 2028 läuft der Vertrag von Iñaki, so lang wie kein anderer im Team, er ist eines der Gesichter der aktuellen Athletic-Mannschaft und hegt auch keine Ambitionen, es andernorts zu versuchen. Böse Zungen rund um das Estadio San Mamés behaupten, bei aktuell lediglich fünf Toren in 33 Liga-Spielen wäre eh niemand bereit, die festgeschriebene Ablöse von 135 Millionen Euro für den Stürmer zu zahlen. Die ausbaufähige Torquote sorgt für Kritik. Doch beschränkt sich allein auf die sportlichen Leistungen. Dass Bilbao seine Heimat ist, nicht nur fußballerisch, daran zweifelt niemand.
Die Eltern flohen quer durch Afrika
Denn geboren wird Iñaki Williams 1994 in Bilbao. Seine Eltern stammen aus Ghana, 1993 flüchten sie quer durch Afrika. Die Füße seines Vaters seien verbrannt vom heißen Wüstensand, berichtet Williams Anfang des Jahres im Gespräch mit der Tageszeitung La Vanguardia. Als das Paar in Marokko über den Grenzzaun zur spanischen Exklave Melilla klettert, ist seine Mutter mit Iñaki schwanger. Sie landen in Bilbao, ziehen weiter ins nahe gelegene Navarra, schlagen sich leidlich durch. „Als ich zwölf war, kam ich eines Tages nach Hause und wir hatten nichts mehr zu essen. Auch der Strom war uns abgeschaltet worden, weil das Geld nie bis zum Monatsende reichte“, so Iñaki in einem Interview mit El País. Seiner Mutter verdanke er alles, sie sei sein Antrieb, alles zu geben, um ihr ein besseres Leben zu ermöglichen. Durch den Fußball und die Ausbildung in der Athletic-Akademie gelingt es ihm. Sein Bruder tritt nun in seine Fußstapfen.
Die beiden Williams sind das erste Brüderpaar seit Julio und Patxi Salinas, das für Athletic aufläuft, das war 1986. Schon 2019 im Interview mit El País gibt Iñaki zu verstehen, dass die Bedeutung des gemeinsamen Auflaufens weit über eine rein fußballhistorische Dimension hinausgeht: „Es wäre unglaublich schön, wenn die Williams-Brüder für Athletic spielen würden, zwei schwarze Brüder. Ich glaube, viele Leute wären stolz darauf und viele Fans würden sich stark mit uns identifizieren, weil wir aus bescheidenen Verhältnissen kommen.“
Weihnachtsmann Williams kämpft gegen Rassismus
Kein halbes Jahr später wird Williams beim Auswärtsspiel gegen Espanyol Barcelona rassistisch beleidigt, auch Affenlaute sind zu hören. Die Täter werden identifiziert und angezeigt, im aktuell laufenden Prozess sagt Williams als Zeuge aus. Er solle nicht rumheulen, schreibt ihm damals Bertrand Ndongo, Mitglied der rechtsextremen Partei Vox mit kamerunischen Wurzeln, per Twitter. Viele Schwarze würden von dem träumen, was Williams habe, also solle er lieber den Mund halten. Doch Williams und Athletic Bilbao würdigen den Angriff nicht mit einer Antwort, bieten dem Pöbler keine Plattform. Sie reagieren auf ihre Weise.
Zu Weihnachten verkleidet der Klub Williams für ein Promo-Video als Olentzero, das ist die baskische Version des Weihnachtsmannes, inklusive Rauschebart und traditioneller baskischer Kluft. Der Anblick dürfte bei so manchem Vox-Anhänger für Schnappatmung gesorgt haben. In der Fernsehsendung Salvados zum Thema Rassismus wird Iñaki vor einigen Wochen das Video einer Rede von Vox-Chef Santiago Abascal vorgespielt, der gegen Geflüchtete hetzt. Williams Antwort darauf: „Wenn ich sagen würde, was ich vom dem wirklich halte, würde ich wahrscheinlich ein Problem kriegen. Ich wünsche mir und kann nur hoffen, dass die Leute solche Dummheiten nicht für voll nehmen.“ Der Gesellschaft fehle es an Mitgefühl gegenüber Geflüchteten, fügt er hinzu.
Sportlich könnten die Williams-Brüder als Sturmduo bei Athletic Bilbao eine Ära prägen. Nico erzielte in der dritten Liga in 22 Spielen neun Treffer, eine beachtliche Ausbeute für einen 18-Jährigen. Steigt die zweite Mannschaft in die Segunda División auf, könnte er sich dort die nötige Wettkampfpraxis holen, um bald an der Seite seines Bruders durchzustarten. Der hat ihm den Weg geebnet, durch das gelegentliche Ohrenlangziehen daheim, seinen Einsatz für den Klub, die gelebte Vereinstreue, aber auch durch sein Auftreten neben dem Platz.
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