Kln lebt in der Vergangenheit

November 2024 · 7 minute read

Uwe Rapolder, warum sind Sie Fuß­ball­trainer geworden?

Par­allel zum Fuß­ball habe ich Wirt­schaft stu­diert und danach in der Bank gear­beitet. Irgend­wann musste ich mich ent­scheiden. Manchmal bin ich mir nicht mehr sicher, ob es wirk­lich die rich­tige Ent­schei­dung war. Denn der Trai­nerjob fehlt ver­gli­chen mit dem Job in der Bank jeg­liche Regel­mä­ßig­keit und dazu ist er auch emo­tional enorm auf­wüh­lend. Ande­rer­seits ist es natür­lich toll, wenn man sein Hobby zum Beruf machen kann.

Auch für die Familie ist Ihr Beruf mit­unter sehr belas­tend?

Ich habe 17 Jahre im Aus­land gear­beitet – meine Frau und meine Kinder waren immer dabei. Ohne sie wäre es nicht gegangen. Meine Frau hat sich um Woh­nung und Schul­an­bin­dung für die Kinder geküm­mert. Die Kinder hatten unter den häu­figen Umzügen zu leiden. Ande­rer­seits ist es für sie natür­lich ein Vor­teil, einen bekannten Vater zu haben, der ihnen einen guten Lebens­stan­dard ermög­li­chen kann.

Vor­zei­tige Trai­ner­ent­las­sungen resul­tieren oft auch daraus, dass ein Coach nicht zu einem Verein und seinem Umfeld passt. Lässt sich so was vorab nicht kal­ku­lieren – auch vom Klub selbst?

Ich war bis­lang nur in Bie­le­feld in der Situa­tion, dass mir ver­schie­dene Ange­bote vor­lagen – und wie Sie sehen, habe ich mit dem 1. FC Köln zumin­dest keinen Voll­treffer gelandet.

Wie erklären Sie sich das?

Ich habe mich vorab nicht aus­rei­chend schlau gemacht. Ich habe vor Bie­le­feld in Ahlen gewohnt – da war die Lebens­qua­lität nicht die höchste. Also dachte ich, mit Köln kann ich auch meiner Frau und meinen Kin­dern etwas bieten. Das finan­zi­elle Angebot stimmte, Wolf­gang Ove­rath wollte mich unbe­dingt, da habe ich nicht genau genug hin­ge­sehen, was sonst noch auf mich zukommt – weder bei der Qua­lität der Mann­schaft, noch was die Struk­turen im Verein anbe­trifft.

Was haben Sie aus dieser Fehl­ent­schei­dung gelernt? Worauf sollte ein Trainer achten, bevor er einen Job annimmt?

Der Trainer muss nicht nur zum Verein passen – sprich mit den Gre­mien, dem Auf­sichtsrat und dem Manager aus­kommen –, son­dern zur ganzen Stadt, also zu den Zuschauern, Spon­soren und ins­be­son­dere zu den Medien. Beson­ders wichtig ist der Manager, die kon­zep­tio­nelle Schnitt­stelle zum Trainer. Mit dem Manager erör­tere ich alle wich­tigen Fragen ums Team: Trai­nings­lager, logis­ti­sche Fragen und natür­lich die Kad­er­zu­sam­men­stel­lung. Ich als Trainer bin für die Fuß­ball­phi­lo­so­phie, das Spiel­system und die Anre­gung der Neu­ver­pflich­tungen zuständig. Das Kon­zept muss vor Ver­trags­ab­schluss klar sein: wie funk­tio­niert die Kad­er­zu­sam­men­stel­lung und wie viel Geld steht zur Ver­fü­gung. Erst wenn das geklärt ist, beginnt die täg­liche Trai­ner­ar­beit.

Und zu Köln passen Sie dem­nach nicht.

Zur Stadt Köln passe ich. Bis heute werde ich dort freund­lich begrüßt. In Köln habe ich ein­fach nicht zum Verein gepasst, weil der Klub noch extrem in der Ver­gan­gen­heit lebt. Und ich bin ein sehr zeit­gemäß arbei­tender Mensch, der dar­über hinaus diese große Ver­gan­gen­heit nicht teilt.

Wie äußert sich diese Rück­wärts­ge­wandt­heit beim FC?

Das fängt bei den Leuten an, die beim Trai­ning zuschauen und geht bis zum Prä­si­denten, der diese Glanz­zeiten selbst ver­kör­pert. Aber am schlimmsten ist der Auf­sichtsrat, denn dort klaffen Anspruch und Wirk­lich­keit am wei­testen aus­ein­ander. Die gehen immer noch davon aus, dass der FC zur Elite der Bun­des­liga gehört – dabei ist die Rea­lität längst ganz anders. Und wenn noch ein Groß­ver­leger im Auf­sichtsrat sitzt oder diesem sehr nahe steht, müssen Ver­qui­ckungen von Medien und Ver­eins­gre­mien in Köln kri­tisch beleuchtet werden, auch in Zusam­men­hang auf die Trai­ner­fluk­tua­tion.

Udo Lattek hat sich in seiner aktiven Zeit gerne mit Bou­le­vard­jour­na­listen zum Stamm­tisch ver­ab­redet, um gut Wetter bei den Medien zu machen. Wie hand­haben Sie den Kon­takt mit der Presse?

Ich hatte nie wahn­sinnig viel Kon­takt zum Bou­le­vard, wurde nie von denen gestützt. Das ist sicher­lich auch ein beruf­li­cher Fehler von mir, aber kein mensch­li­cher. Ich bin seit 14 Monaten arbeitslos. In dieser Zeit habe ich zwei, drei Mal mit Jour­na­listen tele­fo­niert, die ich länger kenne. Peter Neururer etwa kennt fast alle. Aber wenn ich an die Kölner Zeit zurück­denke, wo häufig nach­ge­treten wurde, auch in jüngster Zeit, muss ich sagen: Mit diesen Leuten will ich höchs­tens beruf­lich ver­kehren.

Lesen Sie als Trainer regel­mäßig die Zei­tung?

Nein, das ist unge­sund. Ich lasse mir ledig­lich von meinem Co-Trainer die Zei­tungs­aus­züge geben, in denen Abma­chungen zwi­schen mir und dem Team gebro­chen werden oder in denen ich falsch zitiert werde. Alles andere will ich nicht an mich her­an­lassen.

Wie wichtig ist für Sie der Pres­se­spre­cher eines Ver­eins?

Schon wichtig, weil er Infor­ma­tionen bün­deln muss. Pres­se­spre­cher müssen fest­stellen, was gerade Thema bei den Jour­na­listen ist. Er kann ein­greifen, wenn es in unge­wollte Stoß­rich­tungen geht. Ich ver­suche immer, guten Kon­takt zu den Spre­chern zu halten.

Wie müssen wir uns Ihren ersten Arbeitstag als Trainer an einer neuen Sta­tion vor­stellen?

Wenn ich mitten in der Saison zu einem Klub komme, ist das aller­wich­tigste die erste Mann­schafts­an­sprache. Mit Emo­tio­na­lität kriegt man am die Spieler am ehesten. Nach dem Trai­ning kommen die zen­tralen Ein­zel­ge­spräche. Außerdem ver­suche ich schnell ein vier­tä­giges Trai­nings­lager ein­zu­be­rufen, damit man abge­son­dert mit der Mann­schaft arbeiten kann.

Udo Lattek soll sein Team auch immer wieder mal zum Umtrunk geladen haben, um den Mann­schafts­geist zu stärken.

Es kann nicht schaden, wenn man mal einen gesel­ligen Abend mit den Spie­lern macht. Aber nicht direkt zu Beginn, da muss man erstmal drei, vier Monate da sein. Auch da habe ich unter­schied­liche Erfah­rungen gemacht. In Bie­le­feld ging das her­vor­ra­gend, weil die Jungs eine Gemein­schaft waren. In Köln war das viel schwie­riger. Die Mann­schaft hatte wenig Inter­esse daran. Die waren froh, wenn sie nach Hause gehen konnten, was natür­lich auch immer von der Alters­struktur abhängt.

Es gibt zwei Extreme als Trainer: ent­weder man ist der Buh­mann oder man wird gefeiert. Wie geht man im Erfolgs­falle mit der Trai­ner­si­tua­tion um?

Jeder Trainer muss darauf achten, dass er ein Umfeld hat, das ihn erdet. Man bekommt jeden Tag 50 Anrufe, ist begehrt. Dann ist die Ten­denz da, abzu­heben. Die Gefahr ist bei jedem Men­schen und in jedem Beruf gegeben. Des­halb sollte man stets ver­su­chen, authen­tisch zu bleiben.

Wie ist die Situa­tion, wenn der Erfolg aus­bleibt? Merken Sie, wenn es brenzlig wird?

Natür­lich spürt ein Trainer, wenn sich die Spieler und das Prä­si­dium all­mäh­lich von ihm ent­fernen. Abers oft will er es ein­fach nicht wahr­haben, dass es zum letzten Schritt, zur Ent­las­sung, wirk­lich kommt. Die Ahnung und der letzt­end­liche Vollzug sind zwei ver­schie­dene Paar Schuhe. Wenn es soweit ist, muss man das erstmal ver­ar­beiten.

Wie ver­hält man sich in dem kon­kreten Moment der Ent­las­sung?

Die Ent­las­sungen gehören in diesem Geschäft ein­fach dazu, aber man muss auch psy­cho­lo­gisch auf­ge­fangen werden. Und da sind Freunde und Familie ein­fach das beste Rezept. Ohne ein gesundes Umfeld ist ein Trainer in ernster Gefahr.

Wie stressig ist der Trai­nerjob wirk­lich?

Wenn man in kri­ti­sche Situa­tionen mit einer Mann­schaft gerät, ist das bru­taler emo­tio­naler Stress. Da muss man arg auf­passen, dass man nicht in einen Tunnel hin­ein­läuft. Ich habe es selbst erlebt: Ab einem gewissen Zeit­punkt hat man keine anderen Inter­essen mehr, da gibt es kein links und kein rechts, man wird auf­ge­fressen. Ich musste mich sehr hüten, nicht die Rela­tionen zu ver­lieren.

Sie sind seit 14 Monaten arbeitslos. Gehen Sie zum Sozi­alamt?

Nein, da habe ich meinen Stand­punkt. Ich könnte zwar hin­gehen, mache es aber nicht. Ich habe genü­gend Geld ver­dient, dass ich gut davon leben kann. Das Geld vom Sozi­alamt können andere wahr­lich besser gebrau­chen.

Müssen Sie in Ihrer Situa­tion bei etwa­igen Ange­boten finan­zi­elle Abstriche machen?

Nein, eigent­lich nicht. Die Ver­eine zahlen von Anfang an ver­nünftig. Warum sollten sie gerade da zocken? Das wäre völlig am fal­schen Ende gespart. Der Trainer ist der wich­tigste Mann. Er ist die Bezugs­person für die Mann­schaft. Das Angebot muss sowohl in den Gehalts­rahmen des Ver­eins, als auch in den des Trai­ners passen.

Wie bringt man sich in Ihrer Situa­tion wieder ins Gespräch?

Wahr­schein­lich müsste ich mich öfter in den Sta­dien zeigen als ich es der­zeit tue. Ich warte bis Kon­takte kommen. Natür­lich muss ich mir selbst eine gewisse Zeit geben, bis ein wenig Gras über den Miss­erfolg in Köln gewachsen ist. 14 Monate sind wirk­lich heavy, das kann ich Ihnen sagen. Und ich wollte auch nicht unbe­dingt in die 2.Liga gehen – zumin­dest nicht zu einem Verein ohne Auf­stiegs­per­spek­tiven. Ich habe so lange auf einen Job in der 1. Liga hin­ge­ar­beitet und weiß, dass ich dort etwas bewegen kann. Ich bin fest davon über­zeugt, dass ich bei einigen Verein das Ruder zum ret­tenden Ufer noch umreißen könnte. Das habe ich bis­lang immer geschafft.

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